P.S.: Frauen nicht vergessen!

Wie andere Krisen verstärkt auch die Corona-Krise existierende gesellschaftliche Ungleichheiten. Reiche werden reicher, Armut verstärkt sich. Als leider auch noch im 21. Jahrhundert benachteiligte Gruppe sind Frauen und Mädchen ebenfalls überdurchschnittlich negativ von der Pandemie betroffen. Fast 84 Prozent des Pflegepersonals der österreichischen stationären Betreuungs- und Pflegedienste sind Frauen. Doch auch darüber hinaus hat die Pandemie auf Frauen massive negative Auswirkungen. Frauen tragen in fast allen Bereichen der Pandemie die Hauptlast, sie sind von der Corona bedingten Arbeitslosigkeit stärker betroffen als Männer und die erschreckende Anzahl an Femiziden zeigt, dass die Gewalt an Frauen und Kindern besonders zugenommen hat. Sogar gesundheitlich sind Frauen die besonders Leidtragenden, wie etwa der Rückgang von Brustkrebs-Vorsorgeuntersuchungen nahelegt.

„Seit zwei Jahren tragen Frauen in der Krise die Gesellschaft und halten das System am Laufen. Wir sind nicht die armen Hascherln, sondern die Superheldinnen in dieser Pandemie und trotzdem die Geschnapsten“, fasst die Salzburger SPÖ-Landesfrauenvorsitzende Karin Dollinger das Grundproblem zusammen und verweist darauf, dass Frauen gesundheitlich, wirtschaftlich und sozial noch stärker negativ von der Corona-Krise betroffen sind als Männer. „Und das verschärft leider die Schieflage, die schon vorher bestand“, so Dollinger. Unter dem Motto ‚‘P.S.: Frauen nicht vergessen‘ wollten die Salzburger SPÖ Frauen mit dieser Pressekonferenz den Fokus auf dieses Problem richten und hoffen auf eine starke öffentliche Problembewusstseinsbildung.

Gesundheit kommt zu kurz: Vorsorge nicht vergessen!

„Die Pandemie hat für Frauen nicht nur psychische Auswirkungen, sondern auch negative Auswirkungen auf ihre körperliche Gesundheit. So führt der kräftezehrende Alltag zu einer markant abnehmenden Anzahl von Vorsorgeuntersuchungen. Etwa ist die Anzahl der Mammografie-Untersuchungen seit Ausbruch der Pandemie drastisch zurückgegangen“, verweist Dollinger auf die Statistik. Diese zeigt: Allein im Jahr 2020 sind die Mammografie-Untersuchungen im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 um 13 Prozent zurückgegangen. Ebenso erfolgten um 8 Prozent weniger PAP-Abstriche zur Gebärmutterhalskrebsprävention. Doch auch Männer sind betroffen: Bei beiden Geschlechtern wurde beim allgemeinen Untersuchungsprogramm ein Rückgang von 11 Prozent verzeichnet, bei der Koloskopie (Darmspiegelung) waren es 13 Prozent weniger, ja sogar Hörgeräte wurden zu 12,5 Prozent weniger in Anspruch genommen. Was die Auswirkungen anbelangt, gibt es leider für das Jahr 2021 noch keine Zahlen. Doch allein im Jahr 2020 sind laut einem gemeinsamen Bericht der OECD und der EU-Kommission im EU-Raum pandemiebedingt bis zu einer Million Krebserkrankungen unentdeckt geblieben.

Dollinger wünscht sich deswegen von der Politik eine verstärkte Aufklärungsoffensive und fordert sowohl die Bundesregierung als auch die Landesregierung auf, sich des Themas Vorsorgeuntersuchungen wieder verstärkt anzunehmen. „Wenn das Geld für den Babyelefanten da war, muss erst Recht das Geld für eine Aufklärungskampagne zu Vorsorgeuntersuchungen da sein. Gerade dann, wenn die eigene Gesundheit aufgrund gesellschaftlicher Belastungen in den Hintergrund rückt, ist die öffentliche Aufklärung doppelt wichtig. Der Gesundheitsminister, aber auch der Arbeitsminister sind gefragt. Wenn bei den Frauen neben all den Verpflichtungen keine Zeit für Untersuchungen bleibt, hat das weitreichende Konsequenzen, die wir wohl alle nicht wollen. Ich wünsche mir aber auch ein höheres Problembewusstsein seitens der Medien. Also liebe Journalistinnen und Journalisten: Vergessen Sie nicht drauf, über die Möglichkeiten der Vorsorgeuntersuchung zu berichten. Das kann und wird Leben retten.“ Die SPÖ-Frauen fordern mehr Information und Aufklärung und einen Ausbau des wohnortnahen Gesundheitsangebots in ganz Österreich. Neben einer massiven und umfassenden Informationskampagne zur Vorsorge sind das konkret:

  • Ausbau der Kassenärzt:innenstellen in ganz Österreich
  • mehr Gynäkolog:innen mit Kassenverträgen in allen Bundesländern
  • Ausbau der Primärversorgungszentren als Erstanlaufstellen – Hausärzt:innen, Fachärzt:innen, Vertreter:innen anderer Gesundheitsberufe etwa aus der Pflege, Physiotherapie, Psychologie oder Ernährungsberatung arbeiten unter einem Dach oder in einem engen Netzwerk zusammen
  • Kostenlose Therapieplätze für Kinder und Erwachsene, die an den Folgen der Pandemie leiden – Long Covid Ambulanzen
  • Ausbau der psychotherapeutischen Versorgung
  • Gender-Medizin in Forschung und Anwendung – bei vielen Krankheiten haben Frauen andere Symptome als Männer, darauf muss in Zukunft stärker Rücksicht genommen werden.

Unbezahlte Arbeit nicht vergessen!

Für die SPÖ-Sozialstadträtin in der Stadt Salzburg Anja Hagenauer ist es angesichts der Corona-Pandemie und ihrer besonders harten Nebenwirkungen für Frauen Zeit, über die monetäre Wertschätzung jener Arbeit zu sprechen, die hauptsächlich von Frauen verrichtet wird. „Es gibt die Redewendung, dass man übers Geld nicht spricht. Gerade mit Blick auf die Stellung von Frauen in der Gesellschaft ist es aber höchste Zeit, sich gerade übers Geld zu unterhalten. Das gilt für alle frauendominierten Berufe, die sich in dieser Krise als systemrelevant herauskristallisiert haben, und noch mehr für die unbezahlte Familien- und Care Arbeit. Damit ist die Arbeit im familiären Umfeld gemeint, die nicht bezahlt wird“, so Hagenauer.



Unbezahlte Arbeit im familiären Umfeld wird vom Haushalt bis zur Erziehungsarbeit noch immer mehrheitlich von Frauen erledigt. Konkret arbeiten Frauen laut Statistik Austria (2008) im Durchschnitt 32 Stunden pro Woche unbezahlt. Aktuellere Zahlen gibt es deswegen noch nicht, weil es für die Folgestudie, die nun 2022 durchgeführt wird, unter der türkis-blauen Koalition keine parlamentarische Mehrheit gab. Der unbezahlte „Halbtagsjob“, den Frauen in Österreich leisten, hat jede Menge weiterer systematischer Benachteiligungen zur Folge: Vom Gender Pay Gap über den Gender Pension Gap bis zu geringerem Arbeitslosengeld rächt sich diese unbezahlte Arbeit bei Frauen quer durch ihren Lebenslauf. Die Arbeitsleistungen Kinderbetreuung und Pflege bleiben ohne Gegenleistung. Anstatt die Missstände besser zu machen, hat die Pandemie die Belastungen sogar noch verstärkt, wie Studien der WU Wien zeigen.

„Wenn wir nicht ins 20. Jahrhundert zurückfallen wollen, ist es jetzt an der Zeit, die unbezahlte Arbeit, die Frauen für die Gesellschaft leisten, endlich zu honorieren. Es gilt eine Zukunft zu gestalten, in der Mütter finanziell nicht vom Kindesvater abhängig sind. Das bedeutet: Raus aus der Ausbeutung und rein in geordnete und faire Anstellungsverhältnisse für Frauen, die Care Arbeit leisten. Egal, ob in der Pflege oder in der Kinderbetreuung. Care Arbeit darf der Gesellschaft nicht länger wurscht sein. Care Arbeit ist der Kit des gesellschaftlichen Zusammenlebens und muss somit auch entlohnt werden“, so Hagenauer.

Ein Blick auf die Erziehungsarbeit zeigt: Gerade einmal 10 Prozent der Väter gehen überhaupt in Karenz. Nur 1 Prozent davon länger als sechs Monate. „Ich stelle jetzt die Behauptung auf, dass Karenzgeld höher wäre, wenn die Karenz eine Männerdomäne wäre. So aber ist das Kinderbetreuungsgeld seit seiner Einführung im Jahr 2001 nicht mehr angepasst worden. Damals, vor 21 Jahren, war das Nokia 3310 das beliebteste Handy, Herrmann Maier gewann den Ski Weltcup und die Lebenserhaltungskosten waren deutlich geringer als heute“, veranschaulicht Hagenauer, dass sich seit damals viel verändert hat. Nicht aber das Kinderbetreuungsgeld. Denn egal, ob kurze oder lange Auszahlungsmodelle gewählt werden, die finanzielle Unterstützung die (zu 90 Prozent) Mütter ab der Geburt für ihr Kind erhalten, liegt seit 2001 unverändert bei 12.366 € für maximal drei Jahre Karenz. Übrigens ein Unikum unter den staatlichen Unterstützungen. Hätte man zumindest eine 2,6-prozentige Inflationsanpassung des Kinderbetreuungsgeldes vorgenommen, stünden jungen Eltern mittlerweile mit rund 20.662 € um 67 Prozent mehr Mittel für die Betreuung ihrer Kinder zur Verfügung. So haben Eltern in den letzten 20 Jahren real massiv an finanzieller Unterstützung verloren. Die einzige Ausnahme bilden Besserverdiener:innen, insofern sie nicht auf eine öffentliche Kinderbetreuungseinrichtung angewiesen sind. Denn seit 2017 gibt es einkommensabhängig für das erste Karenzjahr bis zu 2000 Euro. Der finanzielle Vorteil dieses Modells verpufft jedoch spätestens im zweiten oder dritten Jahr, wenn die Kosten der Krabbelstube zu berappen sind, oder das Einkommen aufgrund der unentgeltlich geleisteten Betreuungszeiten dementsprechend sinkt. Ein Zustand, der für Sozialstadträtin Hagenauer unhaltbar ist. „Die schon grundsätzlich benachteiligten Frauen bei diesem Thema nochmals gesellschaftlich zu spalten, ist ein absolutes No-Go und gehört schnellstens repariert. Die Verbesserungen, die wirtschaftlich privilegierte Frauen in den letzten Jahren erkämpfen konnten, müssen auch endlich finanziell schlechter gestellten Frauen zugutekommen. Ihre Leistung an der Gesellschaft ist dieselbe, ihre Gegenleistung sollte es auch sein.“ Hagenauer fügt mit Blick auf die immer höheren Leistungsanforderungen auf dem Arbeitsmarkt hinzu: „Ich höre immer wieder gerade von konservativer Seite, wie wichtig es sei, Leistungsträger zu belohnen. Leider scheint diese Devise nicht mehr zu gelten, sobald ein „Innen“ dranhängt. Ob beim Einkommen, bei der Pension, bei der Arbeitszeit, oder der Kindererziehung und Pflege, wird die Leistung von Frauen chronisch unterbewertet. Die Corona-Krise verschärft diese Schieflage zusätzlich und macht sichtbar, wie Frauen mehr für weniger leisten und dafür auch noch aktiv benachteiligt werden. Das ist so nicht mehr hinnehmbar. Ich habe schon mehrfach gefordert, die Devise „koste es was es wolle“ endlich nicht mehr nur für Skilifte und Großkonzerne gelten zu lassen, sondern verdammt noch mal auch für die Menschen, die die Krise stemmen und niemand tut das mehr als die Frauen in unserer Gesellschaft.“

Neben der Forderung nach einer Inflationsanpassung des Kinderbetreuungsgeldes wiederholt Hagenauer einmal mehr die Forderung der Salzburger SPÖ, dass das Land Salzburg nach dem burgenländischen Modell endlich pflegende Angehörige anstellen möge. „Auch in der häuslichen Pflege sind es hauptsächlich Frauen, die Verantwortung übernehmen, ihren Beruf aufgeben oder Stunden reduzieren und dafür in Kauf nehmen, Versicherungsjahre zu verlieren. Die Anstellung pflegender Angehöriger würde nicht nur den Pflegemangel abfedern, sondern gerade Frauen einen Weg aus der unbezahlten Arbeitsfalle ebnen“, so Hagenauer weiter.

Die SPÖ-Gemeinderätin, Elternvertreterin, Bezirksfrauenvorsitzende und SALK-Betriebsrätin Sabine Gabath bekräftigt die Problematik der Schieflage in der Aufteilung unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern: „Männer verbringen gut 63 Prozent ihrer wöchentlichen Arbeitszeit in bezahlter Arbeit und 37 Prozent in unbezahlter Arbeit. Bei Frauen ist es genau umgekehrt. 37 Prozent ihrer Arbeit werden bezahlt, während 63 Prozent nicht bezahlt werden.“ Nicht zuletzt deswegen zeigt sich Gabath empört darüber, dass Arbeitsminister Martin Kocher zuletzt gesagt hat, dass es kein Arbeitskräfteproblem gäbe, wenn alle Teilzeitkräfte nur ein paar Stunden mehr arbeiten würden: „Arbeitsminister Kocher attackiert mit dieser Aussage vorwiegend Frauen, die deswegen Teilzeit arbeiten, weil sie den Rest der Woche unbezahlten Dienst an der Gesellschaft verrichten. Die Mehrheit jener, die in Teilzeit arbeiten sind Frauen. Jetzt will man den Frauen auch noch den schwarzen Peter für den Arbeitskräftemangel umhängen.“



Gabath bekräftigt langjährige Forderungen der SPÖ-Frauen: „Was es braucht, ist eine Verkürzung der Normalarbeitszeit auf 35 Stunden. Denn das ist auch die Grundlage für eine gerechtere Verteilung der unbezahlten Arbeitszeit zwischen Frauen und Männern. Mit Blick auf den Pflegebereich kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass eine Verkürzung der Arbeitszeit allein schon belastungstechnisch längst ansteht. Dem öffentlichen Applaus zu urteilen, dürfte man annehmen, dass Corona wenigstens diesbezüglich für ein öffentliches Bewusstsein gesorgt hat. Bei den Gehältern merkt man wiederum nichts davon. Immerhin kommt nach langer Wartezeit jetzt endlich doch der Landesbonus für den Einsatz der Pflegekräfte in der Corona-Krise.“

„Die aktuelle Schieflage wirkt sich sogar auf die Pension aus. Das Absurde dabei ist: Wenn man unbezahlte und bezahlte Arbeit der Frauen zusammenrechnet, arbeiten sie im Schnitt sogar mehr als Männer und haben weniger Freizeit. Wenn wir gesellschaftlich und arbeitsmarktpolitisch etwas aus der Corona-Krise lernen wollen, dann hoffentlich, dass wir die Lehren daraus ziehen“, schließt Gabath.

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